Feuerdrache, Zauberdrache, Flugdrache, Turnerdrache, Muskeldrache – wer zu viele unterschiedliche Protagonisten in seine Drachenshow holt, der spielt bei dem Kartenauswahl- und -sammelspiel „Dragondraft“ (Haba) von Benjamin Schwer in der Regel vor halbvollen Rängen. Die Leute – und das ist das Ziel – kommen vor allem dann, wenn ein Spieler auf Schwerpunkte in seinem Programm setzt. Wenn er denn die Möglichkeit dazu bekommt.
In letzter Konsequenz ist „Dragondraft“ – Haba-typisch in der Aufmachung eines Kinderspiels – vor allem ein Rechenspiel. Im Hintergrund steht immer die Frage: Welchen Wert bietet mir eine einzelne Karten? Sprich: Wie viele Zuschauer locke ich damit an? Der Wert hängt davon ab, wie viele Drachen einer Sorte ich rekrutieren kann.
Dragondraft und die Effektivität von Karten
Feuerdrachen bringen satte vier Besucher pro Exemplar, aber nur wenn ich mindestens drei davon habe. Sonst null. Bei Zauberdrachen genügen schon zwei, um das Ergebnis zu verbessern – um jeweils drei Punkte. Flugdrachen steuern maximal zwei Zähler hinzu, bei Turnerdrachen klettert der Wert von eins auf bis zu dreieinhalb. Wer mit einem einzigen Muskeldrachen die Mehrheit dieser Spezies beansprucht, lockt gar sechs Zuschauer an. Ohne Mehrheit reduziert sich der Wert auf eins.
Wie komme ich aber an die Drachen? In der Kartenauslage liegen zu Beginn jeder der fünf Runden jeweils zehn Karten in vier Reihen aus. Eben jene Drachen und dann auch noch – dazu später mehr – Koboldhelfer. Die erste frei verfügbare einer jeder Reihe ist kostenlos. Für jede Karte, die ich überspringen muss, um an die gewünschte Karte zu kommen, muss ich für diese Runde eine Stinkdistel auf die Hand nehmen.
Stinkdistels verstopfen die Kartenhand. Ist das Limit von neun Handkarten erreicht, muss ich bis zum Rundende passen. Stinkdistels verändern folglich die effektiven Werte von Karten. Zugleich sind sie aber auch ein Risikominimierer. Denn es besser, mit Stinkdistel sicher an den dritten Feuerdrachen zu kommen, als am Ende einer Runde nur mit zweien dieser Spezies dicke Backen zu machen.
Kobolde als Währung
Die Rechenspiele gehen aber noch weiter. Und das liegt an den helfenden Kobolden in „Dragondraft“. Diese bringen mittelbar zwei keine Punkte, stellen aber so etwas wie eine Währung dar. Mit ihnen erwerbe ich Specials, die etwa das Handkartenlimit erhöhen, bunte Shows belohnen und sogar Stinkdisteln eine gewisse Wirkung auf den Zuschauerzustrom zuschreiben. Solche Specials lohnen aber nur dann, wenn sie früh erworben werden.
Lukrativer erscheint es, die Kobolde für den Erwerb von Tribünen einzusetzen. Dann gibt es direkt Punkte. Und zwar bis zu 26. Für die beste aller Tribünen braucht es allerdings Helfer im Wert von acht. Im Idealfall kriegt man die mit vier Karten zusammen, was einer Effektivität von sechseinhalb Zähler pro Karten entspräche. Top! Das wäre selbst dann noch ein lohnenswertes Geschäft, wenn man Kobolde für die nächste Runde auf der Hand behält. Mit Helfern darf man das nämlich machen, mit Drachen nicht.
Disteln, Koboldhelfer, Karten in die nächste Runde mitnehmen – diese Regeln zeigen schon, dass sich die Effektivität der Karten nicht mit einfacher Arithmetik einfangen lässt. Gut so. Denn Dragondraft schreit als zugängliches Familienspiel nach schnellen Entscheidungen und lässt sich deshalb gut aus dem Bauch heraus spielen. Offensichtlich bleibt dabei, die Vorlieben der Mitspieler im Blick zu behalten, um denen gegebenenfalls den dritten Feuerdrachen oder weitere Kobolde vorzuenthalten.
Dieses Schadenfreude-Element tut „Dragondraft“ ganz gut. So bibbert jeder darum: Kriege ich noch die benötigte Karte – oder nicht. Dieses Gefühl breitet sich um so mehr aus, je mehr Spieler teilnehmen. Zu zweit verläuft das Kartennehmen indes deutlich berechenbarer als zu viert. Erst ab drei Drachenshow-Managern kommt so etwas wie Spannung auf. Zumal im Spiel zu zweit quasi die halbe Auslage ohne Relevanz bleibt und deshalb das Abräumen zum Rundenende und das anschließende wieder Auslegen wie eine Beschäftigungstherapie wirkt. Schade, dass das nicht auch die Koboldhelfer übernehmen können.
Dragondraft
- Haba
- Benjamin Schwer
- 2 bis 4 Spieler
- ab 8 Jahren
- 30 Minuten
- Jahrgang 2020
- Spielanleitung
Meine Einschätzung: ★★☆☆☆ (ordentlich)
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